02.11.2015
Welche Flüchtlingshilfe bieten die Kirchen in Erfurt?

"Eher als die Politik hat die Kirche erkannt, das uns die Hilfe für Flüchtlinge einiges abverlangen wird", schrieb der TLZ-Redaktionsleiter in Erfurt, Frank Karmeyer. "Große Bereitschaft, Menschen in Not willkommen zu heißen und ihnen zu helfen, signalisieren sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche in Erfurt. Doch wenn es konkret wird, wird es auch oft kompliziert..." Der Senior des Evangelischen Kirchenkreises Erfurt, Dr. Matthias Rein, konnte erläutern, was an Hilfen geplant wurde und wird – und wo sich Grenzen auftun.

Flüchtlingen zu helfen und ihnen als Christen besonderen Schutz zu gewähren, dazu hatte Landesbischöfin Ilse Junkermann die Gemeinden aufgerufen. Wie aber sieht die Hilfe in der Praxis aus? Gibt es sie überhaupt? Das hatte TLZ-Leser Robert Pommer aus Erfurt von der Landesbischöfin wissen wollen.

Die hatte auf Hilfe im Rahmen der Möglichkeiten verwiesen und darauf, dass der Kirche nur bedingt geeigneten Räumlichkeiten zur Verfügung stünden, um Flüchtlinge und Verfolgte aufzunehmen. Und auch Matthias Rein, Senior des evangelischen Kirchenkreises Erfurt, musste feststellen: „Die Bereitschaft der Gemeinden ist groß. Wenn es aber konkret wird, wird es auch kompliziert“, sagt er – und nennt einige Beispiele.

Möbel, Kleidung, Zeit und Geld – all das sei in großer Menge an Spenden zusammengekommen, nachdem in den Gemeinden der Aufruf zur Hilfe gestartet wurde. 

Möbel, Kleidung, Zeit und Geld – all das sei in großer Menge an Spenden zusammengekommen, nachdem in den Gemeinden der Aufruf zur Hilfe gestartet wurde. In vier Gemeinden Erfurts wurden Sprachkurse in den Räumen der Kirche eingerichtet. Zudem fanden sich Paten zur Unterstützung und Begleitung der Flüchtlinge.

„Im August hat uns die Anfrage der Stadt erreicht, ob wir Räume als Notunterkünfte zur Verfügung stellen könnten. „Wir haben uns auf die Suche gemacht und feststellen müssen, dass wir wenig Freiräume haben“, sagt Rein. Angeboten habe der Kirchenkreis die Georgenburse als Unterkunft, die sonst als Herberge für Pilger genutzt wird. Ein Angebot, dass die Stadt an- und auf ihre Gebäudeliste aufgenommen habe, sagt Rein.

Bereits im Februar ins Gespräch gebracht habe der Kirchenkreis den Lutherpark: Seit Jahren ungenutzt und dem Verfall preisgegeben, könnte dieser zur Unterbringung von Verfolgten dienen. Ein Bau-Expertentermin vor Ort allerdings brachte Ernüchterung: Um Platz für höchstens 35 Leute zu schaffen, müssten hier 750 000 Euro investiert werden – für den Brandschutz beispielsweise und um halbwegs akzeptable Lebensbedingungen zu schaffen. „Gern würden wir hier Raum für unbegleitete Jugendliche bieten“, sagt Rein – allerdings in einem Haus-Neubau, der auf diese Nutzung zugeschnitten wird. Dafür allerdings habe die Stadt bislang eine Baugenehmigung versagt: Das Grundstück des Lutherparks liegt im sogenannten Außenbereich – und dort gibt es kein Baurecht. Möglicherweise wird aus der Ablehnung doch noch eine Zustimmung, hofft Senior Rein – schließlich sei die Zahl der Flüchtlinge inzwischen dramatisch gestiegen. Vielleicht sei das letzte Wort hier noch nicht gesprochen.

Auch die Gemeindehäuser wurden als mögliche Unterbringungsorte in Augenschein genommen. „Beim genaueren Hinsehen ist aber aufgefallen, dass es dort zumeist an Duschen, Sanitäranlagen oder Küchen fehlt“, sagt Rein. Und dort, wo die Gemeinden oder der Kirchenkreis über Wohnraum verfüge, sei dieser vermietet. Eine Wohnung in der Schmidtstädter Straße beispielsweise an eine Syrische Familie, freut sich Rein: „Wir haben unseren Spielraum genutzt, wo dies möglich ist.“

Eine grundsätzliche Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen bestehe – „natürlich“, sagt der Senior. Aktuell sei die Stadt aber auf größere Objekte als denn einzelne Wohnungen aus – die die Gemeinden nicht anbieten könnten. „Unsere kleinen Dorfkirchen sind nicht das, was jetzt gebraucht wird“, sagt Rein.

Mit den zuständigen Stellen im Rathaus sei der Kirchenkreis im Gespräch – beispielsweise auch zu einer möglichen Nutzung der Domsporthalle als Turnhalle des Ratsgymnasiums oder der am Schulstandort der Gemeinschaftsschule in der Eugen-Richter-Straße. „Wir werden beide zur Verfügung stellen, wenn die Stadt uns dazu auffordert“, kündigt Rein an.

Seniorenheime in Trägerschaft der evangelischen Kirche seien ausgelastet, da sei kein Freiraum vorhanden. Für Kinder von Flüchtlingen aber würden Kindergärten in Trägerschaft des Kirchenkreises aktuell Platz schaffen. Ein Flüchtlingskind werde aktuell an der evangelischen Grundschule unterrichtet.

In vielen Bereichen sei die Kirche aktiv, was es vielleicht noch besser zu kommunizieren gelte: Im Büro für ausländische Mitbürger, das finanziell getragen wird, bei Sprachkursen oder aber bei direkter Hilfe in den Heimen, um nur ein paar Beispiele zu nennen. „Wir sind breit unterwegs“, sagt Rein. Mancher hilft ganz praktisch: So wie die Kantorenfamilie, die einen Syrer in ihrer Wohnung aufnahm.

Oder indirekt, mit Spenden. Als jetzt die Augustiner-Kantorei zum Tag der Einheit in Wetzlar sang, war sie mit Kost und Logis Gast der dortigen Gemeinde. Dies war Anlass genug für die Sänger, um auf der Rückfahrt dann untereinander Geld zu sammeln – als Spende für die Flüchtlingshilfe.

(Quelle: Thüringische Landeszeitung, 10.10.2015)