21.05.2020
"Seelsorge bleibt die Muttersprache des Evangeliums"
Hat die Kirche die Menschen in der Akutphase der Corona-Krise massenhaft und vorsätzlich allein gelassen? Diesen Vorwurf hat Thüringens ehemalige Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, selbst Theologin, kürzlich in der Presse erhoben. Harte Worte, die der Senior des Kirchenkreises Erfurt, Dr. Matthias Rein, so nicht stehen lassen möchte. Lesen Sie seine Entgegnung.
Verschlossene Kirchentüren während der Corona-Krise, kein Pfarrer und keine Pfarrerin weit und breit in Sicht? Wenn überhaupt, dann war dies im Kirchenkreis Erfurt nur ganz zu Beginn des so genannten "Lockdowns", in der Schockphase, der Fall. Schon bald entwickelten die Gemeinden in und um Erfurt eine erstaunliche Kreativität, die von der Online-Andacht bis zum "automobilen Gottesdienst" auf dem Messegelände nahe der "ega" reichte. Regelmäßig produzierte der Kirchenkreis Erfurt mit dem Regionalsender "Salve TV" Gottesdienste, die im Internet für viele Menschen, auch kirchenferne, abrufbar waren. Und auch sonst mangelte es nicht an Ideen und Engagement.
Deutliche Worte auch vom Senior des Kirchenkreises Erfurt, Dr. Matthias Rein, zum Vorwurf Lieberknechts:
"Während der Zeit des Verbots öffentlicher Veranstaltungen in Erfurt waren die evangelischen Kirchen in der Erfurter Innenstadt täglich geöffnet (Foto von den Vorbereitungen für den ersten Gottesdienst in der Predigerkirche nach den Lockerungen). Viele Dorfkirchen öffneten sonntags ihre Türen, weit mehr als sonst. Seelsorgerinnen und Seelsorger standen als Ansprechpartner bereit. Vielfach erklang Orgelmusik. Dieses Angebot nutzten viele Menschen, um in den Kirchen Ruhe zu finden, stille Andacht zu halten und ein Seelsorgegespräch zu führen. Die Gemeindebüros arbeiteten normal weiter. Die Pfarrerinnen und Pfarrer hielten engen Kontakt zu den Gemeindegliedern über Telefon, Briefe, Emails und soziale Medien.
Für die Sterbenden, die Familien, wie für die Seelsorgerinnen und Seelsorger war es schwer auszuhalten, dass Besuche kaum möglich waren und Beerdigungen nur im sehr engem Kreis stattfanden. Haupt- und Ehrenamtliche waren durchgängig in der Klinik-, Telefon- und Notfallseelsorge erreichbar und aktiv tätig. Am Gedenktag der Gewalttat am Erfurter Gutenberg-Gymnasium (26.4.2020) fanden zwei Gottesdienste in der Erfurter Andreasgemeinde statt, die Kirche war durchgängig für das Gedenken und die Seelsorge-Betreuung geöffnet.
Wir danken den Seelsorgerinnen und Seelsorgern und den Verantwortlichen in den Kirchengemeinden für ihren großen Einsatz und ihre Flexibilität in den letzten Wochen. Aktive Seelsorge ist und bleibt die „Muttersprache“ des Evangeliums und der Kirche. Wir tun das Mögliche, um Menschen zu erreichen und zu helfen", betont Dr. Matthias Rein.