03.04.2013
Erwiderung auf Beitrag von Henryk Goldberg

In der "Thüringer Allgemeine" vom 28./29. März 2013 schrieb Henryk Goldberg über das christliche Abendmahl: "Ohne das Abendmahl gibt es kein Christentum". Seinen Beitrag können Sie unten downloaden.

Senior Dr. Matthias Rein antwortete ihm am 30. März in einer E-Mail unter anderem:

Sehr geehrter Herr Goldberg,

in zwei großen Beiträgen der TA vom 28.3. und 30.3.2013 äußern Sie sich zu theologischen Zusammenhängen im Blick auf Pessach, Ostern und das Abendmahl.

Zunächst freue ich mich, dass die TA den theologischen Inhalten von Karfreitag und Ostern Raum gibt. Zur Darstellung der Sachverhalte habe ich Fragen. Folgende Anmerkungen erscheinen mir wesentlich:

1. Theologische Lehrgespräche einer gemeinsamen römisch-katholischen und evangelisch-lutherischen Kommission auf Weltebene haben darüber Übereinstimmung erzielt, dass nach katholischem und evangelischem Verständnis "im Sakrament des Abendmahls Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, voll und ganz mit seinem Leib und seinem Blut unter dem Zeichen von Brot und Wein gegenwärtig ist" ("Das Herrenmahl" 1978). Im Grundsatz stimmen beide Konfessionen also in ihrem Abendmahlsverständnis überein. Theologen sorgen manchmal nicht nur für Gezänk, sondern helfen klären, was wir Christen heute glauben und helfen mit, Verständigung zu erarbeiten.

2. Der Berliner Neutestamentler Jens Schröter führt in seinem einschlägigen Buch "Das Abendmahl. Frühchristliche Deutungen und Impulse für die Gegenwart" (Stuttgart 2006) aus, dass der historische Jesus die in den neutestamentlichen Schriften in Varianten überlieferten Einsetzungsworte so nicht gesprochen hat beim letzten Mahl mit seinen Jüngern. Er hält für historisch wahrscheinlicher, dass Jesus im Anschluß an Mk 14,25 ein Deutewort zu seinem Tod gesprochen hat und auf den Kelch verzichtete (S. 132-134).

3. Katholisches und evangelisches Abendmahlsverständnis lassen sich nicht mit der Unterscheidung "spirituell / rational" charakterisieren.

4. Für Christen ist das Abendmahl ein wesentlicher Bestandteil ihrer Frömmigkeitspraxis. Fragen zum Verständnis des Abendmahls haben große Bedeutung für die Glaubenspraxis und die Lebenswirklichkeit der Gläubigen. Fragen zu Sexualmoral, Zölibat und Scheidung sind dagegen auf einer anderern Ebene anzusiedeln. Beides kann nicht gegeneinander ausgespielt werden (wichtig/unwichtig). Es wäre gut, dies Nichtchristen zur erläutern.

5. Katholische und evangelische Christen haben ein unterschiedliches Kirchenverständnis. Hier geht es um mehr als um Tradition, institutionelle Beharrungskräfte oder um Macht. Es geht um die Frage, wie Gott sich in der Welt offenbart (durch Wort und Sakrament, vermittelt durch die katholische Kirche =katholisch / durch Wort und Sakrament an jeden Mensch = evangelisch). Weil es hier verschiedene Auffassung gibt, gewährt die katholische Kirche den evangelischen Christen keine Abendmahlsgemeinschaft (umgekehrt schon).

6. Wann haben Sie zuletzt eine evangelische Abendmahlsfeier erlebt (z.B. am Gründonnerstag als Tischabendmahl in der Predigerkirche)? Ich kenne im Erfurter Kirchenkreis keine evangelische Gemeinde, die das Abendmahl als "liturgisch und weltanschaulich unverbindliche Zusammenkunft von Menschen" feiert, die "mehr die Gemeinschaft mit Menschen als mit Gott suchen". In den evangelischen Kirchen wächst die Bedeutung des Abendmahls, was sich in sorgfältiger liturgischer Gestaltung und zunehmender Anzahl der Feiern zeigt (z.B. im Augustinerkloster in jedem Sonntagsgottesdienst).

7. Sie meinen, die katholische Kirche kann in der Abendmahlsdebatte als Institution nur verlieren. Beide Konfessionen bewegen sich, verändern sich, entwickeln sich weiter. Wir sind als Christen überzeugt, dass wir eines Tages gemeinsam Abendmahl feiern, wie wir jetzt schon die Taufe gegenseitig anerkennen. Wie sich das gestaltet, ist im Moment offen. Ich denke, die TA sollte Interesse daran haben, die theologischen Inhalte sachgemäß und richtig darzustellen. Dazu gibt es in Erfurt erfreulicherweise genügend theologischen Sachverstand. Ihre Darstellungen präsentieren einen Mix von Sachinformationen, theologischen Meinungen und persönlichen Ansichten. Das kann der Leser als mehr oder weniger persönliche Sicht der Dinge des Autors zur Kenntnis nehmen. Ich frage, ob die TA damit aber dem Anspruch auf korrekte und umfassende Information gerecht wird, den eine Tageszeitung mit dieser Auflagenhöhe an sich stellen sollte. Schön wäre, wenn Sie klar angeben, auf welche Informationsquellen Sie sich beziehen. (…)

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Pessach- bzw. Osterfest.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Matthias Rein
Senior des Evangelischen Kirchenkreises Erfurt

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