22.09.2015
Der Sprach-Klang Martin Luthers
Corinna Dahlgrün von der Universität Jena spricht am Donnerstag, dem 1. Oktober 2015, um 19 Uhr, über die Revision der Lutherbibel und „Heimat in der Sprache“. Sie ist zu Gast beim Augustinergespräch im Ev. Augustinerkloster zu Erfurt.
Nach gut 30 Jahren erscheint 2017 wieder eine neue Version der Lutherübersetzung. Wissenschaftler und Theologen haben in den vergangenen fünf Jahren die bisherige Fassung an tausenden von Stellen überarbeitet. Die Theologie-Professorin Corinna Dahlgrün war dabei. Wie prägt die Lutherbibel unsere Sprache? Was ändert sich und warum? Unter anderem um diese Fragen wird es in ihrem Vortrag gehen.
Nach Jahrzehnten der "Modernisierung" der Sprache wurde jetzt eine Übersetzung erstellt, die der Sprache des Reformators die Treue hält. Aber manchmal müssen auch Fehler Martin Luthers korrigiert werden.
Luther habe sich "mit großer Kenntnis und Gründlichkeit um Treue zu den Originaltexten bemüht", und deshalb kehre man "nun des Öfteren auf der Basis heutiger wissenschaftlicher Quelleninterpretation zu Luthers Übersetzungen zurück, weil wir merken, dass er das Richtige traf" – so Altbischof Dr. Christoph Kähler, der den Lenkungsausschuss leitete, der im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland die neue Durchsicht der Lutherbibel koordinierte.
Das gilt sogar bei einem Thema, wo die Theologie heute strikt auf Distanz zu Luther achtet, beim Verhältnis zu den Juden. Im zweiten Kapitel der Offenbarung geht es um üble Leute, die sich als Juden ausgeben, es aber nicht sind. Da stand 1545 bei Luther: "Sie sind Jüden / und sind's nicht / sondern sind des Satans schule." Daraus wurde 1984 extrem antijudaistisch, jene Leute seien "die Synagoge des Satans". Jetzt aber kommen die Exegeten zu dem Schluss, dass die Synagoge nicht gemeint war. Daher sei Luthers neutralere Übersetzung angemessener. 2017 wird die "Synagoge" gestrichen. An ihre Stelle tritt die "Versammlung" des Satans statt der sprachlich kühnen "Schule" von Luther.
Im Prinzip aber wollen die Theologen auch Luthers konkrete Wortwahl und Satzkonstruktion beibehalten. So stellte Luther in Nebensätzen und Infinitivkonstruktionen das Verb meist nicht ans Ende. Bei ihm sagt Jesus in Lukas 8: "Euch ists gegeben zu wissen das Geheimnis des Reichs Gottes." Daraus wurde 1984 gemäß heutigem Sprachgebrauch: "Euch ist's gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen." Künftig aber soll es nicht nur wieder "wissen" statt "verstehen" heißen, sondern der Infinitiv soll auch vom Ende wegkommen: "Euch ist's gegeben zu wissen die Geheimnisse des Reiches Gottes."
Eine weitere Änderung betrifft Johannes 11,25. Da schrieb Luther "ich bin die Aufferstehung und das Leben / wer an Mich gleubet / der wird leben / ob er gleich stürbe." Letzteres wurde 1984 ersetzt durch "auch wenn er stirbt". Künftig steht wieder: "ob er gleich stürbe".
Corinna Dahlgrün geht aber auch auf die Bedeutung der Lutherbibel in der öffentlichen Wahrnehmung ein. So benutzen Übersetzer von Romanen eigentlich immer die Lutherbibel, um Bibelzitate wiederzugeben. Selbst Beispiele aus dem Rap und aus dem Werk des Comic-Zeichners und Autors Ralf König zeigen: Biblische Sprache ist zumeist "Lutherdeutsch".